Polnisches Berlin
Öffentliche Stadtführungen
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Interkulturelle Stadtführungen in Berlin
Individuelle Stadtführungen nach Maß
Oft sagen wir „Integration“ und meinen in Wirklichkeit „Assimilation“. Die Anderen sollen gefälligst so sein wie wir. Aber wer ist „Wir“? Wer bestimmt das, wer gehört dazu und wer nicht? Warum halten sich unsere Vorurteile gegenüber Polen so beharrlich? Wer schürt(e) sie und warum glauben wir sie bis heute? Versuchen wir das in einer interkulturellen und historischen Stadtführung gemeinsam herauszufinden.
Der Stadtnavigator Berlin arbeitet für Sie individuell Stadtführungen nach Ihren Themen aus. Der Preis variiert natürlich durch den benötigten Arbeitsaufwand. Fragen Sie unverbindlich nach. Nutzen Sie einfach dafür das Kontaktformular oder schreiben Sie an Info@Stadtnavigator-Berlin.de.
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Polnische Geschichte in Berlin
Polen wurde in seiner Geschichte von seinen westlichen Nachbarn zuerst als Kolonisationsgebiet betrachtet. In Preußen weckte es schließlich als Beute Begehrlichkeiten in der Ambition, zur zweiten deutschen Großmacht aufzusteigen. Ende des 17. Jahrhunderts teilten sich die Nachbarländer Polens – Russland, Österreich und Preußen – den Unionsstaat untereinander auf, sodass Polen als Staat für 120 Jahre von der politischen Landkarte Europas verschwand. Preußen wurde zum Vielvölkerstaat. Untersucht man das polnische Leben in Berlin in dieser Zeit, muss man berücksichtigen, dass es bis 1918 keinen polnischen Staat gab.
1847 fand im Berliner Zellengefängnis Lehrter Straße der sogenannte „Polenprozess“ gegen 256 polnische Aufständische statt, darunter Ludwik Mierosławski. Ihr Ziel war die Wiederherstellung und Erneuerung des polnischen Staates gewesen. Die Pläne wurden verraten, nur in Krakau kam es zum Krakauer Aufstand. Beim Prozess wurden zwei Todesurteile, auch gegen Mierosławski, verhängt und 97 lange Haftstrafen. Nach Beginn der Märzrevolution im März 1848 kam es zu Demonstrationen vor dem Berliner Schloss, zur Amnestie und Freilassung der Gefangenen.
Ende des 19. Jahrhunderts wandelte sich das neu gegründete deutsche Kaiserreich vom Agrar- zum Industriestaat. Und war Deutschland bisher ein Auswanderungsland, darunter waren auch viele Polen aus dem preußischen Staatsgebiet, setzte nun eine Binnenwanderung von Ost nach West ein. In den Grenzen des 1871 gegründeten Deutschen Reiches lebten etwa 4 Millionen polnisch-sprachige Menschen. Etwa 750.000 wechselten zwischen 1890 und 1913 aus den polnisch-sprachigen Ostprovinzen des Reiches in die Industrie- und Ballungszentren im Westen: vor allem ins Ruhrgebiet, aber auch in die Großstädte wie Berlin. Zahlreiche polnische Familiennamen weisen bis heute auch in Berlin darauf hin.
Die Polen aus den östlichen Gebieten des Deutschen Reiches waren gleichberechtigte preußische bzw. deutsche Staatsbürger und unterschieden sich im überwiegend protestantisch geprägten Berlin vor allem dadurch, dass sie katholisch waren. Wegen ihrer Herkunft und Sprache wurden sie oft beargwöhnt und diskriminiert. Vor allem in den Großstädten passten sich die Meisten daher so schnell wie möglich an und verleugneten ihre polnische Herkunft. Eine andere Möglichkeit bestand darin, sich in Vereinen zu organisieren, um die Muttersprache zu pflegen und um sich so gegen die Diskriminierung zu wehren. Polen aus den Staatsgebieten Russlands oder Österreichs dagegen wurden als Gastarbeiter betrachtet, die man nach Bedarf ins Land holen und wieder abschieben konnte.
Mehr als die Hälfte aller fremdsprachigen Einwohner in Berlin waren Polen – etwa 100.000. Das polnische Vereinsleben in Berlin blühte, und seit 1896 kam die erste polnische Tageszeitung, der „Dziennik Berliński“ heraus. Auch Handwerker, Künstler, Studenten, Intellektuelle, Politiker und Adelige zog es nach Berlin. Berlin entwickelte sich in dieser Zeit zum Schmelztiegel und zur Metropole. Durch den Assimilierungsdruck, der in Berlin stattfand, ist es schwer zu unterscheiden, was deutsch und was polnisch ist. Eine polnische Subkultur – wie etwa im Rhein- und Ruhrgebiet – gab es in Berlin nicht. Selbst die Pflege der polnischen Muttersprache scheiterte in der Großstadt am Assimilationsdruck. Nur die neu gebauten katholischen Kirchen in den Arbeiterbezirken von Berlin zeugen von der polnischen Einwanderung.
In der Weimarer Zeit bestimmten die Folgen des Versailler Vertrages das Verhältnis zwischen Polen und Deutschen. Die deutsche Politik war auf Konfrontation ausgerichtet, der Wunsch war, dass der aus dem Versailler Vertrag hervorgegangene Nationalstaat Polen zusammenbrechen sollte. Schon vor 1933 war Polen für viele Deutsche ein „Staat, der nicht sein durfte“. Extremer Nationalismus bestimmte das Verhältnis zwischen beiden Staaten. Nationalstolz sowie die zunehmende Aggression und auch die deutsche Arroganz gegenüber den Polen hierzulande führten dazu, dass viele Polen Berlin verließen.
Polnische Situation in Berlin im Nationalsozialismus
Mit dem Nationalsozialismus verschärfte sich die Situation der Polen zuerst nicht einmal so sehr in seiner Ausprägung von der Politik in der Weimarer Zeit. Doch die Grundlage der nationalsozialistischen Menschenverachtung war eine so genannte Germanisierungspolitik unter der Parole der Wiedereindeutschung all jener, die über längere Zeit polonisiert worden wären. Schrittweise wurde jeder Ausdruck polnischer Kultur verboten, die Zahl der polnischen Zeitungen immer weiter eingeschränkt. Anfangs blieb der polnischen Bevölkerung in Berlin die Möglichkeit, deutsch zu sein oder diskriminiert zu werden. Dann folgte der Übergang von der Assimilation zur Diskriminierung: Die Polen wurden als eine geschlossene Gemeinschaft betrachtet, die nicht durch Nationalbewusstsein, sondern durch Blutsverwandtschaft bestimmt wäre. Der nächste Schritt war die Zuordnung nach der nationalsozialistischen „Rassenideologie“. Eine polnische Kultur in Berlin gab es nicht mehr.
Nach dem deutschen Überfall auf Polen im September 1939 verleibte sich die deutsche Industrie sofort die Fabrikationsanlagen in Polen ein. Dortige Arbeiter wurden zuerst oft unter falschen Versprechungen zu einem Praktikum nach Deutschland gedrängt, wo sie dann als Zwangsarbeiter in der Rüstungsindustrie eingesetzt wurden. Später wurden die Menschen ganzer Regionen gefangen genommen und als Arbeitssklaven nach Deutschland verschleppt.
Polen in der deutsch-deutschen Nachkriegszeit
Die Nachkriegszeit war in Polen von der Erinnerung an den vorangegangenen Vernichtungskrieg der Deutschen bestimmt. In der DDR galt die zwangsverordnete Völkerfreundschaft unter den sozialistischen Ländern. Doch das Verhältnis litt vor allem darunter, dass die DDR die deutsche Verantwortung an den Verbrechen genauso verschwieg wie die BRD. Andererseits gab es von der DDR immer wieder Befürchtungen, dass in Polen besonders in den 1960er Jahren häufig laut gewordene oppositionelle Stimmen eine Gefahr für den Sozialismus bürgen. Kurz nach den Amtsantritt Honeckers im Jahre 1971 wurde die Grenze nach Polen zwar geöffnet, knapp zehn Jahre später aber wieder geschlossen. Durch die zumindest teilweise Liberalisierung Polens für Begegnungen auch oppositioneller Ost-Deutscher mit Polen kamen Kontakte wenigstens dort zustande.
In Ost-Berlin bestanden die meisten Kontakte aus ritualisierten Freundschaftskundgebungen. Das „Haus der polnischen Kultur“ in der Straße Unter den Linden war seit den 1950er Jahren eine offizielle Einrichtung des polnischen Außenministeriums. Die Hauptaufgabe bestand darin, eine scheinbare Normalität zu vermitteln und zu zeigen, dass die Hauptstadt der DDR weltoffen wäre. Heute versucht das „Polnische Institut Berlin” eine Brücke zwischen Polen und Deutschen zu schlagen. Um seine unrühmliche Vergangenheit aus der Zeit der DDR auch örtlich zu überwinden, ist das Institut im Jahre 2005 umgezogen. Es befindet sich heute in der Burgstraße 27 in der Nähe der Museumsinsel.
Das war in West-Berlin anders. Bis in die 1980er Jahre hinein waren es vorwiegend deutschstämmige Polen, die in die Stadt kamen. Als 1981 in Polen das Kriegsrecht verkündet wurde, wurden die Flüchtlinge hier als „Helden der Solidarność” empfangen. Damit hatte ein neuer Migrationszyklus begonnen. Die meisten Polen kamen am Ende der 1980er Jahren nach West-Berlin, als die Volksrepublik Polen zusammenbrach – vor allem aus ökonomischen Gründen. So genannte Polenmärkte entstanden. Dort wurden Waren aus dem Ostblock verkauft. Aus den Erlösen wurden wiederum in West-Berlin begehrte Westprodukte eingekauft. Ein weiteres Phänomen waren die sechzehn Flugzeugentführungen von LOT-Maschinen auf dem Weg von Polen nach Berlin-Schönefeld seit 1978 durch Deutsche aus der DDR, die zum Flughafen Tempelhof im amerikanischen Sektor in West-Berlin umgeleitet wurden.
Polen in Berlin heute
Heute bilden die Polen die größte Gruppe der in Berlin lebenden EU-Bürger. Ihre Zahl beläuft sich wohl auf über 100.000. Es sind auch nicht mehr nur vorwiegend ökonomische Gründe, die die Menschen in die Stadt ziehen. Mit der Geschichte der heutigen Einwanderung befasst sich vor allem das „Zentrum für Historische Forschung der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Berlin“. Sein Sitz ist im Majakowskiring 47 in Niederschönhausen.
Während noch bis in den 1980er Jahren viele Polen ihre Herkunft verleugneten, präsentiert sich die polnische Kultur in Berlin heute immer selbstbewusster und offener.
Die Flüsse Oder und Neiße trennen beide Länder weniger als früher, aber leider noch immer. Es gibt viel zu wenige Brücken, das Straßen- und Schienennetz ist noch immer nicht in einem guten Zustand – angeblich weil kein Bedarf besteht. Die Politik setzt wieder stärker auf Abschottung.