Villenkolonie Grunewald
Öffentliche Stadtführungen
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(Angaben ohne Gewähr)
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Stadtspaziergang in Grunewald
Individuelle Stadtführungen nach Maß
Ein Stadtspaziergang in Grunewald hat einen großen Entdeckungseffekt. Was ist hier nur geschehen? Oft stammen unsere Vorstellungen über die Villenkolonie Grunewald aus der Vergangenheit und aus der Literatur. Aus Erzählungen über die Vergangenheit. Heute sieht es in Grunewald anders aus, hier ist also etwas passiert. Und auch das ist sehr spannend. Schauen wir uns gemeinsam um. Der Stadtnavigator Berlin lässt Sie Grunewald besser verstehen und vielleicht mit anderen Augen sehen.
Der Stadtnavigator Berlin arbeitet für Sie individuell Stadtführungen nach Ihren Themen aus. Der Preis variiert natürlich durch den benötigten Arbeitsaufwand. Fragen Sie unverbindlich nach. Nutzen Sie einfach dafür das Kontaktformular oder schreiben Sie an Info@Stadtnavigator-Berlin.de.
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Die Anfänge der Villenkolonie Grunewald
Die Verkehrsverhältnisse zwischen Berlin und Charlottenburg hatten sich mit der 1882 eröffneten Stadtbahn verändert. Sie sorgte nicht nur für den gewaltigen Schub bei den Einwohnerzahlen in Charlottenburg. Die Bahnhöfe der Stadt- und Ringbahn wurden zu Ausgangspunkten der neuen Bebauungen. Charlottenburg vergrößerte sich nicht nur aus seinem alten Stadtkern heraus, sondern wuchs aus verschiedenen peripheren Zentren zusammen.
Im Osten ging die Bebauung bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Berlin und dem großbürgerlichen Tiergartenviertel aus. Es waren wohlhabende Bürger, die das Kielgan-Viertel anzulockte. Als die Bebauung sich zwischen Charlottenburg und Berlin immer weiter verdichtete, schien es dort für die Bewohner nicht mehr fein genug. Ab etwa 1860 lockte Charlottenburg mit dem Quistorpschen-Villenterrain. Hier hatte eine „Westend-AG“ außerhalb des vom Berliner Bebauungsplan erfassten Bereichs nach englischem Vorbild begonnen, das Projekt einer Villenkolonie in Angriff zu nehmen. In den 1870er Jahren stagnierte die Entwicklung Westends, was in erster Linie auf die schlechten Verkehrsverbindungen nach Berlin zurückzuführen war.
Die von der Berliner Handels-Gesellschaft und der Deutschen Bank gegründete „Kurfürstendamm-AG“ betrieb zwischen 1883 und 1886 energisch und mit Millionengewinnen den Bau der zukünftigen Prachtstraße. Doch die Bebauung schritt nur langsam voran. Um die Attraktivität der Gegend zu erhöhen, wurde eine Dampfstraßenbahn angelegt, die 1886 ihren Betrieb aufnahm. Sie fuhr anfangs vom Zoo, dann vom Nollendorfplatz über den Kurfürstendamm bis zum Grunewald. Dort – zwischen Hubertussee und Halensee – hatte die Kurfürstendamm AG mit der Anlage einer Villenkolonie begonnen, die sich schnell zum bevorzugten Wohngebiet einer kleinen Schicht zahlungskräftiger Berliner entwickelte. Was dort in kurzer Zeit an Villen- und Parkanlagen, an gediegener Architektur entstanden war, befand sich im krassen Gegensatz zu den trostlosen Mietskasernen-Vierteln im Norden und Osten, in Moabit, Kreuzberg, Prenzlauer Berg oder auf dem Tempelhofer Feld, wo die überwiegende Mehrheit der Berliner Bevölkerung zu leben gezwungen war.
Grunewald – Die feinste Adresse von Berlin
Die Villenkolonie Grunewald wurde im Zusammenhang mit dem Kurfürstendamm angelegt, dem Lieblingsprojekt Bismarcks und Kaiser Wilhelms I. Die ganze Anlage blieb finanzstarken Kreisen zur Ansiedlung vorbehalten. Gemäß der Bauordnung durfte nur ein Zehntel der Grundstücksfläche verbaut werden, die Bauhöhe war zunächst auf zwei Stockwerke begrenzt. Der englische Landhausstil der Villen war Pflicht.
Vor allem der gegenüber der Stadt Berlin deutlich geringere Steuersatz machte die Ansiedlung für Bezieher hoher Einkommen lohnend. Mit dem, was die Spitzenverdiener Berlins in der Landgemeinde Grunewald an Steuern sparten, war oft schon ein Großteil der Villa dort bezahlt. Die großen Bankiers wie die Mendelssohns und Fürstenbergs sicherten sich möglichst schnell attraktive Grundstücke. Die Berliner Hochfinanz hatte den Vorteil, dass sie schon von Berufs wegen mit den Gegebenheiten vertraut war, ebenso wie die im Baugewerbe Tätigen, die stark an den Spekulationsgewinnen der ersten Jahre beteiligt waren. Carl Fürstenberg war seit 1882 Leiter der Berliner Handels-Gesellschaft, seine Bank beteiligte sich direkt an der Erschließung der Villenkolonie Grunewald. Das Tiergartenviertel als angestammtes Wohngebiet des gehobenen Bürgertums verlor stetig an Wohnqualität, je mehr sich die Umgebung zu einem Innenstadtbezirk verdichtete. Viele Anwohner zogen in den „Neuen Westen“, an den Kurfürstendamm oder in die Villenkolonie Grunewald.
Ende 1891 bezogen Lili Lehmann und ihr Mann Paul Kalisch ihr Haus in der Herbertstraße 20. Das Landhaus steht als ältestes erhaltenes Gebäude heute unter Denkmalschutz. Mit dem Schriftsteller Dernburg freundete sie sich rasch an, ebenso mit Fritz Mauthner, dem Sprachphilosophen und –kritiker, der in der Wangenheimstraße lebte. Durch ihn lernte sie später Maximilian Harden kennen, der ab 1892 die einflussreiche politische Wochenschrift „Die Zukunft“ herausgab. Um die Jahrhundertwende kaufte er die Villa des Sozialistenehepaares Lily und Heinrich Braun in der Wernerstraße 16, die sich einen aufwendigen Haushalt nicht mehr leisten konnten.
Man lässt sich leicht verleiten, in jeder Grunewald-Villa einen Hort von Geist und Kultur auszumachen. Doch die Mehrheit der Haushalte war eher bieder und konventionell. Andererseits ging Geld und Kultur im Grunewald oftmals eine Symbiose ein. Die hier ansässige Finanzwelt zeigte sich gerne als Förderer von Kunst, Musik und Literatur. Die Brüder Franz und Robert Mendelssohn waren Bankiers und in der sechsten Generation Nachfolger von Moses Mendelssohn. Sie hatten sich auf einem großen Grundstück am Herthasee Villen einrichten lassen, die sich schnell zum Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens entwickelten. Sie waren als Kunstliebhaber und –förderer bekannt, ihre Großzügigkeit war sprichwörtlich. Die Musikabende bei Franz Mendelssohn hatten legendären Ruf. Der Bankier Felix Koenigs war der erste Anwohner der Villenkolonie Grunewald. Er förderte viele Künstler der „Secession“ und ihre Ausstellungsprojekte. 1898 gründeten junge moderne Maler um Max Liebermann und Walther Leistikow diese Künstlergemeinschaft, um sich Ausstellungsmöglichkeiten zu schaffen, die ihnen der akademisch-etablierte Kunstbetrieb und vor allem Kaiser Wilhelm II. in Berlin verwehrten. Sie stellten erstmals die französischen Impressionisten aus und gaben wichtige Impulse für die Weiterentwicklung der deutschen Kunst. Einer der Mitbegründer der „Berliner Secession“ war Walther Leistikow, der „Maler der Mark Brandenburg“. Als Nachbar von Carl Fürstenberg lebte er auf dem Grundstück von Hermann Rosenberg. Walther Leistikow und Lovis Corinth, sein Malerkollege, Freund und erster Biograph, waren beide mit Gerhard Hauptmann befreundet, der einige Jahre in der Trabener Straße wohnte. Koenigs förderte Leistikow, der war mit Gerhard Hauptmann befreundet. Hauptmanns Werke wurden von Samuel Fischer verlegt, der seit 1905 in der Erdener Straße 5 lebte. Dessen Kinder spielten mit denen von Engelbert Humperdinck. Der schrieb Schauspielmusik für Max Reinhardts Inszenierungen. Reinhards Förderer und Mäzen war der Bankier Fritz Andreae. Der war der Schwager von Walther Rathenau.
In der Villenkolonie gab es Cliquenbildung, Intimfreundschaften und –feindschaften. Abseits von Berlin entwickelte sich die Villenkolonie Grunewald zu einer Welt für sich.
Bis zu Eingemeindung nach Berlin am 1. Oktober 1920 gehörte die Villenkolonie Grunewald als selbständige Landgemeinde zum Kreis Teltow.
In den 1920er Jahren etablierten sich der Film und das Kino als neues Medium am Kurfürstendamm und machte dem Theater erfolgreich Konkurrenz. Viele Künstler des neuen Mediums siedelten sich nun in der Villenkolonie Grunewald an: „La Jana“ und Harry Liedtke zum Beispiel. Vicki Baum lebte seit 1926 in der Koenigsallee, wurde aber erst nach ihrer Übersiedelung in die USA berühmt. Auch Friedrich Wilhelm Plumpe, der später unter dem Namen Murnau einer der wichtigsten deutschen Regisseure war, lebte lange im Grunewald; sein Freund Ehrenbaum-Degele lebte in der Douglasstraße 22. Durch die Abgeschiedenheit der Villenkolonie Grunewald nahmen viele Bewohner die Krisen der Weimarer Republik nur am Rande zur Kenntnis. Für die Meisten waren die Nationalsozialisten einfach Kulturbanausen und Adolf Hitler ein schlechter Schauspieler.
Die meisten Grunewalder Bürger lebten in einer Scheinwelt. Nur manchmal hielt die politische Realität auch in der Villenkolonie Grunewald Einzug. Am 24. Juni 1922 wurde Walther Rathenau in der Koenigsallee von zwei Rechtradikalen im Auftrag der Geheimorganisation „Consul“ auf der Straße ermordet.
Die Bewohner der Villenkolonie Grunewald
„Wir lebten auf einer Insel, vollkommen außerhalb der Zeit.“ (Nicolaus Sombart)
Es gab nur Wenige, die die Gefahren des aufkommenden Nationalsozialismus ernst nahmen. Zu ihnen gehörte unter anderem Lion Feuchtwanger. Die Meisten der jüdischen Großbürger Grunewalds, die sich nicht politisch missliebig gemacht hatten, blieben nach 1933 vorerst in Deutschland. Sie besaßen genügend Reserven sowohl an finanziellen Mitteln, aber auch an Selbstbewusstsein und Beziehungen, um der sich ständig verschlimmernden Situation eine Zeitlang standhalten zu können. Doch je bedrohlicher und aussichtsloser die Lage wurde, desto mehr entschlossen sich zur Emigration. Die Grunewalder Bürger waren privilegiert. Sie hatten wenigstens das Geld und die Kontakte, um emigrieren zu können. Dann wurden die Geschäfte jüdischer Besitzer „arisiert“ und die großen Anwesen für einen Spottpreis zwangsverkauft. Profitiert von den zwangsverkauften Villen hatten die Größen des nationalsozialistischen Regimes. Der Charité-Arzt Ferdinand Sauerbruch ließ sich in einer der Villen aus jüdischem Besitz nieder, das Mendelssohn-Palais wurde zur Reichs-Gästevilla umfunktioniert, aber auch Heinrich Himmler bezog fortan eine Villa in der Hagenstraße 22.
Auch im Grunewald wurden Kinder von der höheren Schulbildung ausgeschlossen. Die Synagoge in der Franzensbacher Straße 7-8 wurde im November 1938 geschändet und angezündet. Ab 1941 wurde der Bahnhof Grunewald zu einem der drei großen Deportationsbahnhöfe in die Vernichtungslager. Es gehörte wohl auch ein Teil Unverfrorenheit dazu, die Realität des Nationalsozialismus nicht wahrzunehmen oder auszublenden, wie es viele der Grunewalder Bürger auch weiterhin taten. Aber auch die Schwedische Kirche in der Landhausstraße 27-28, der Bewohner Martin Niemöller und andere müssen erwähnt werden, die der Barbarei während des Nationalsozialismus Widerstand leisteten.
1936-1938 wurde nördlich der Caspar-Theyß-Straße ein Verwaltungsgebäude des Reichsarbeitsdienstes errichtet, das in seinen Dimensionen und der Architektur bis heute wie ein Fremdkörper wirkt. Und auch von Hitlers und Speers Germaniaplanung blieb der Grunewald nicht verschont. Durch die Nähe des Güterbahnhofs Grunewald wurde die Villenkolonie Grunewald Ziel alliierter Bombenangriffe.
Nachkriegszeit: Die Zerschlagung von Grunewald
Für die autogerechte Stadt wurde die Koenigsallee zulasten der Vorgärten zu einer breiten Durchgangsstraße ausgebaut. In den 1950er Jahren wurden hier Ein- und Mehrfamilienhäuser errichtet, einige in Form von Bungalows mit Flachdach. Mehrfamilienhäuser entstanden im Grunewald im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus. Die Stadtautobahn wurde gebaut, und der Rathenauplatz ersetzte die früher direkte Verbindung von der Koenigsallee zum Kurfürstendamm. Der Platz wirkt bis heute wie ein Fremdkörper. In dem 1960er Jahren wurden nicht nur unbebaute Flächen für den Wohnungsbau genutzt, sondern in vielen Fällen auch völlig intakte Großvillen abgerissen und die Gelände neu parzelliert. In den 1970er Jahren folgte die intensive Bebauung der Grundstücke mit Nebenanlagen wie Schwimmbäder und Garagen. Die Villenkolonie Grunewald und damit ein wichtiger Teil der Berliner Stadtgeschichte wurden rücksichtslos zerstört.
Erst seit den 1980er Jahren setzte auch in Grunewald langsam ein Umdenken ein. Doch noch immer müssen Villen rücksichtslosen Neubauten weichen.
Die Villenkolonie gehörte ab 1920 zum Berliner Bezirk Wilmersdorf, heute zum Bezirk Charlottenburg–Wilmersdorf. Wie es in der einstigen Villenkolonie heute aussieht und wie es dort in der Zukunft weitergehen könnte, das erfährt man am Besten bei einer Stadtführung mit dem Stadtnavigator Berlin.