Kreuzberg

Öffentliche Stadtführungen

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(Angaben ohne Gewähr)

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Stadtführungen in Kreuzberg

Individuell ausgearbeitete Stadtführungen

Ist Kreuzberg eher alternativ, multikulti oder spießig? Das finden wir am besten bei einem gemeinsamen Stadtspaziergang heraus. Und wie steht es mit der Gentrifizierung, was passiert dort, und wie leben die unterschiedlichen kulturellen Gruppen (nicht nur) in Kreuzberg heute zusammen?

Stadtnavigator Berlin arbeitet für Sie individuelle Stadtführungen nach Ihren Themen aus. Der Preis variiert natürlich durch die benötigte Vorbereitung und den Arbeitsaufwand. Fragen Sie unverbindlich nach. Nutzen Sie dafür einfach das Kontaktformular links oder schreiben Sie an Info@Stadtnavigator-Berlin.de.

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Berlin-Kreuzberg, Planufer

Berlin-Kreuzberg, Planufer

Stadterkundungen in den Berliner Stadtteilen

Vorindustrielle Geschichte von Kreuzberg

Bereits im Mittelalter gehörte der nördliche Teil von Kreuzberg zum äußeren Gebiet Berlins und Cöllns. Dem schlossen sich nach Süden hin die Gemarkungen mit weitläufigen Wiesen und Feldern an. Die Köllnische Feldmark reichte bis zum heutigen Landwehrkanal. Schon am Ende des 17. Jahrhunderts wurde außerhalb der Stadtgrenze ein „Landwehrgraben“ angelegt. Der wurde aus dem älteren Schafgraben gebildet, einem Entwässerungsgraben für das südliche Berliner Sumpfgebiet, der nach dem Dreißigjährigen Krieg als Floßgraben bereits befahren werden konnte. Im 19. Jahrhundert wurde aus dem Graben ein Entlastungskanal für die stark befahrene Spree als Transportweg.

Auf dem Tempelhofer Berg, dem heutigen Kreuzberg, wurde schon seit der Zeit der Ordensritter von Tempelhof aus Wein angebaut, bis das Klima um die Mitte des 18. Jahrhunderts herum deutlich kühler wurde. Durch einen Streit zwischen dem Johanniterorden und den Städten Berlin und Cölln gelangte der Berg 1435 von Tempelhofer in Berliner Besitz.

Im 17. Jahrhundert schoben sich die Köllnische und Köpenicker Vorstadt von Berlin aus immer weiter nach Süden vor. Um 1700 herum sollen auf heutigem Kreuzberger Gebiet etwa 1000 Einwohner gelebt haben. Mit dem Bau der Berliner Akzisemauer (Akzise: Steuer) um 1735 lag die Berliner Stadtgrenze bereits auf dem Gebiet der heutigen U-Bahnlinie 1. Die Stationsnamen Schlesisches Tor, Kottbusser Tor und Hallesches Tor weisen heute noch darauf hin. Das Militär siedelte sich in der Mitte des 18. Jahrhunderts außerhalb der Stadtgrenze an: das Möllendorfsche Regiment hinter dem Halleschen Tor (heute Finanzamt), das Pfuelsche Regiment an der Köpenicker Straße. Dagegen waren weite Teile innerhalb der Akzisemauer (in der Luisenstadt) noch immer unbebaut und wurden als Garten- und Ackerland betrieben. Als innerstädtisches Naherholungsgebiet wurden die privaten Gärten oft als „Kaffeegärten“ genutzt.

Berlin-Kreuzberg, Kreuzberg mit Völkerschlachtsdenkmal

Berlin-Kreuzberg, Kreuzberg mit Völkerschlachtsdenkmal

Nach den Befreiungskriegen gegen Napoleon I. wurde das „Rondell“ zum Belle-Alliance-Platz (heute Mehringplatz) ausgebaut, auf dem Tempelhofer Berg entstand unter Federführung des Berliner Architekten Carl Friedrich Schinkel ein National-Denkmal mit einem großen Eisernen Kreuz. Von nun an hieß der Berg Kreuzberg. Preußen wollte sich als Siegermacht in Szene setzen und seiner gestärkten militärischen Rolle nach dem Wiener Kongress sichtbar Ausdruck verleihen.

Industrialisierung in Kreuzberg

Am 19. September 1826 hatte Berlin einen großen Tag. In der Straße Unter den Linden und der Friedrichstraße brannten die ersten Gaslaternen. Die erste Berliner Gasanstalt lag in der Gitschiner, Ecke Prinzenstraße und wurde von der „Englischen Gasanstalt“ betrieben, die sich für einundzwanzig Jahre das Monopol erkauft hatte, Berlin mit Gas zu beliefern. Das nutzte sie rücksichtslos aus und trieb den Gaspreis in die Höhe. Aus diesem Grund baute die Stadt zwei eigene Gasanstalten, eine davon wiederum in der Gitschiner Straße, die die Gasversorgung Berlins übernahmen, als das Privileg der „Englischen Gasanstalt“ erlosch. Es war nicht das letzte Mal, dass die Stadt den Fehler machen sollte, privaten Gesellschaften die Monopolstellung in der städtischen Versorgung zu überlassen. Die Folgen sind immer die gleichen.

Das bislang unbebaute Gelände im Süden Berlins wurde um 1835 zu einem Ausgangspunkt der Industrialisierung. Von nun an siedelten sich vor allem textilverarbeitende Betriebe an den bereits vorhandenen Straßen und am heutigen Landwehrkanal an, gefolgt von einigen metallverarbeitenden Fabriken. Im Jahre 1836 zählte die Luisenstadt bereits 24 500 Einwohner. 1841 wurden die Berlin-Anhaltinische Bahn und der Potsdamer und Anhalter Bahnhof eröffnet, 1867 der Görlitzer Bahnhof im Osten. Bereits ab dem Jahre 1840 wurde das Gebiet zwischen der Akzisemauer und dem heutigen Landwehrkanal in das Berliner Stadtgebiet einbezogen. Bis 1850 wurde der heutige Landwehrkanal als Transportweg ausgebaut und begradigt.

Berlin-Kreuzberg, Haus Bethanien

Berlin-Kreuzberg, Haus Bethanien

Der östliche Teil des heutigen Kreuzbergs entwickelte sich schnell zum Zentrum der metallverarbeitenden Industrie. Die „Maschinenbauanstalt und Eisengießerei Hoppe“ machte 1844 in der Schlesischen Straße den Anfang, andererseits entstand noch 1847 auf dem Köpenicker Feld quasi auf freiem Feld das „Zentraldiakonissenhaus-Bethanien“. Gleichzeitig eröffnete im Westen Kreuzbergs die „Telegraphenbauanstalt Siemens und Halske“ in der Schöneberger Straße.

Im Frühjahr 1847 kam es nicht nur im Süden Berlins zu Unruhen. Vorausgegangen waren Missernten im Vorjahr, die nach dem Winter zu Hungersnöten führten. Es kam zu Plünderungen auf den Märkten und zu Ausschreitungen, die vom preußischen Militär brutal unterdrückt wurden. Diese so genannte Kartoffelrevolution ging über in die 1848er Revolution, als die Nachrichten von den revolutionären Ereignissen in Paris bis nach Berlin drangen. Nun ging es vor allem um die politischen und sozialen Missstände in Preußen, die sich auch auf den Berliner Straßen entluden. Am 17. Mai 1848 soll in einem Wirtshaus in der Köpenicker Straße der Beschluss gefasst worden sein, zum Berliner Stadtschloss zu marschieren und dem König eine Verfassungspetition zu überreichen. Tags darauf wurde auf die bis dahin friedliche Versammlung vor dem Schloss geschossen. Der Zorn der Bevölkerung entlud sich in Barrikadenkämpfen und Straßenschlachten nicht nur in der Umgebung der Friedrichstraße. Hier wurden bereits die Interessenunterschiede deutlich, die sich in der Zukunft noch weiter verschärfen sollten: Ging es dem Bürgertum vor allem um seine bürgerlichen Freiheiten und Rechte, so ging es den in der Landflucht nach Berlin strömenden Arbeitern um soziale Gerechtigkeit und um bessere Arbeitsbedingungen im preußischen Kapitalismus. Am 6. August marschierte ein Demonstrationszug zum National-Denkmal auf den Kreuzberg und beflaggte es in den Farben Schwarz-Rot-Gold und forderten die bereits versprochene Verfassung ein. Gleichzeitig versuchte die Regierung der Situation der Arbeitslosen mit Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zu begegnen, indem sie unter anderem den Luisenstädtischen Kanal nach den Plänen von Peter Joseph Lenné (1789-1866) bauen ließ (→Prenzlauer Berg). Als die Kanalarbeiter am 16. Oktober gegen ihre Entlassung demonstrierten wollten, wurden sie nicht vom preußischen Militär daran gehindert, sondern von der Berliner Bürgergarde, die fünf Arbeiter tötete und zahlreiche andere verletzte.

Ähnlich wie in Prenzlauer Berg entstanden um den Kreuzberg herum zahlreiche Brauereien mit ihren Biergärten. Daneben entstanden an der Ausfallstraße nach Tempelhof auch einige Stadtvillen im Grünen. Noch um 1870 war diese Gegend weitgehend ohne Straßen und Häuser. Dann zogen dort 163 Familien in Zelten, Bretterverschlägen und ausrangierten Eisenbahnwaggons hin. In dieser Zeit entstanden in Berlin noch andere Elendsviertel.

Langsam drang die Stadt von Norden her immer weiter bis zum Hermannplatz vor. Das Gebiet südlich des Landwehrkanals wurde 1861 bis nach Tempelhof hinein nach Berlin eingemeindet. Mit dem Bebauungsplan vom Baustadtrat James Hobrecht wurde südlich vom Landwehrkanal das heutige System der Straßen und Plätze mit wenigen Einschränkungen festgelegt. Besonders charakteristisch war im heutigen Kreuzberg der „Generalszug“: ein Zug breiter Straßen vom heutigen Hermannplatz bis zur Hardenbergstraße in Charlottenburg, die bis heute die Namen der Generäle aus den Befreiungskriegen tragen. Finanziert wurde das gesamte Projekt ausschließlich durch die Reparationszahlungen der (siegreichen) kriegerischen Auseinandersetzungen im 19. Jahrhundert gegen Dänemark, Österreich und Frankreich.

Ende der 1860er Jahre wurde die Akzisemauer beseitigt. Es wurde ein breiter Straßenzug mit den Namen tschechischer und west-slowakischer Orte von Schlachten angelegt. Hier verkehrt seit 1902 die U-Bahnlinie 1 als Hochbahn. Berlin entwickelte sich in rasantem Tempo zum größten Industriestandort in Europa, Kreuzberg, Friedrichshain und Prenzlauer Berg und schließlich auch der Wedding immer mehr zu dicht besiedelten Arbeiterstadtteilen mit allen ihren Problemen.

Berlin-Kreuzberg, ehem. Außenhandelshof in der Ritterstraße

Berlin-Kreuzberg, ehem. Außenhandelshof in der Ritterstraße

Nicht nur in der Luisenstadt entstanden Gewerbehöfe. Eine Vorstufe waren Etagenbetriebe, so genannte „Geschossbau-Fabriken“, die sich in die Mietshausbebauung einfügten und sich in den Hinterhöfen und Seitenhäusern befanden. Dann wurden ganze Grundstücke zwischen Wohnhäusern mit „Mietsfabrikanlagen“ bebaut – meist mit Ausnahme der Vorderhäuser. Um 1900 entwickelten sich daraus die Gewerbehöfe, die nicht nur in Kreuzberg noch immer das Stadtbild prägen, nicht nur in der Umgebung der Oranienstraße. Manchmal waren zehn oder zwanzig Betriebe dort in einem gestaffelten Hofsystem ansässig. Ein anderes Beispiel ist die Ritterstraße. Dort siedelten sich kleinere In- und Exportfirmen an, die ihre Produkte gleichzeitig dort ausstellten. Die Ritterstraße wurde zur wichtigen Adresse des Außenhandels.

Die sozialen Probleme verschärften sich. Die Gegend zählte inzwischen knapp eine halbe Million Menschen. Es war mit Abstand das am dichtesten besiedelte und das intensivste bewirtschaftete Gebiet Berlins. Das heutige Kreuzberg war inzwischen vollständig bebaut. Viele Straßenbahnlinien durchquerten den Bezirk, ab 1902 kam die Berliner Hoch- und Untergrundbahn dazu, die in dieser Zeit als das modernste Verkehrsmittel angesehen wurde. Berlin war die vierte Stadt in Europa mit einer eigenen U-Bahn. Kleinere Theater siedelten sich nicht nur entlang der neuen Hochbahn an. 1903 siedelte die SPD-Parteizentrale in die Lindenstraße.

Während des Ersten Weltkrieges gewann der Osthafen immer stärker an Bedeutung für die Lebensmittelversorgung der Berliner. Die Eisenbahnanlagen dienten nun vorwiegend dem Militär, Lastkraftwagen und Omnibusse waren ebenfalls vom Militär beschlagnahmt worden. Nicht erst im „Kohlrübenwinter“ 1917 wurde deutlich, wie sehr die Versorgung der Stadt zugunsten des Krieges vernachlässigt wurde. 1916 wurde eine „Volksspeisung“ eingeführt mit 77 Ausgabestellen für Familien, die sich nicht mehr selbständig ernähren konnten. Die Hauptküchen lagen in den daniederliegenden Markthallen wie am Marheinekeplatz oder in der Pücklerstraße. Die Versorgungsprobleme verschärften sich bis zum Kriegsende immer weiter. Noch im Oktober 1918 versuchte die Reichsregierung die Bevölkerung durch innenpolitische Zugeständnisse zu beschwichtigen, um die Monarchie zu retten. Immer wieder kam es nicht nur in Berlin zu Streiks. Auch in Kreuzberg wurde nun um die neue politische und gesellschaftliche Ordnung gekämpft.

Berlin-Kreuzberg, Topographie desTerrors

Berlin-Kreuzberg, Topographie desTerrors

Weimarer Zeit und Nationalsozialismus in Kreuzberg

Im Oktober 1920 wurde der Bezirk „Hallesches Tor“ als ein Teil von Groß-Berlin gegründet. Durch einen Gemeindebeschluss erhielt der neue Berliner Bezirk 1921 den Namen „Kreuzberg“. Kreuzberg wurde ein Bezirk mit hoher Bevölkerungsfluktuation, jährlich wechselte etwa ein Siebentel der Bevölkerung. Entlang der Zimmer-, Jerusalemer und Kochstraße (heute Rudi-Dutschke-Straße) entstand ein Presseviertel von internationalem Rang. 1925 arbeiteten hier 64 von insgesamt 120 Berliner Druckereien. Die Oranienstraße war eine der wichtigsten Einkaufsstraßen in Berlin.

1926 wurde der Luisenstädtische Kanal, der ab 1848 als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme gebaut wurde, wiederum als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme wieder zugeschüttet. Seine Bedeutung als Wasserweg hatte der Kanal verloren. Er war nur noch ein Hindernis für die Verkehrsentwicklung, vor allem beim Bau der heutigen U-Bahnlinie 8. 1929 wurde das siebenstöckige Kaufhaus „Karstadt“ am Hermannplatz als das modernste seiner Art in Europa eröffnet.

Hatte es vorher schon Übergriffe der SA in Kreuzberg gegeben, nahmen die Auseinandersetzungen zwischen der SA einerseits und dem „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“, der Kampfgruppe der SPD, und dem „Rotkämpferbund“ (KPD) immer mehr zu. In der Pogromnacht im November 1938 wurden zahlreiche Geschäfte am Kottbusser Tor, in der Mariannenstraße und in der Oranienstraße Opfer des nationalsozialistischen Terrors. Es wurde deportiert, gefoltert und gemordet. Die Synagogen in der Lindenstraße und am Kottbusser Ufer (heute Fraenkelufer) wurden geschändet. In der Fontanepromenade 15 wurde eine Arbeitsvermittlung für Juden eingerichtet. Den Betroffenen wurden nur schwerste und schlecht bezahlte Arbeit zugewiesen.

Schon 1933 war die Abteilung 1A des Polizeipräsidiums („Preußisches Geheimes Polizeiamt“) in die Prinz-Albrecht-Straße 9 (heute Niederkirchner Straße) verlegt worden. Ab 1934 wurden hier auch die zentralen Institutionen der SS zusammengezogen. Im Hotel „Prinz Albrecht“ und im „Prinz-Albrecht-Palais“ wurden wichtige Teile der SS-Führung untergebracht, 1939 wurden diese bereits eng zusammenarbeitenden Behörden des nationalsozialistischen Terrorapparates mit der Kriminalpolizei zum „Reichssicherheitsamt“ zusammengefasst.

Die schwersten Luftangriffe gingen am 3. Februar 1945 auf Kreuzberg nieder. Als Verteidigungsmaßnahme wurden die Kottbusser Brücke und der Tunnel der Nord-Süd-Bahn (S-Bahntunnel) von der SS gesprengt. Viele Menschen, die vor dem ständigen Artilleriebeschuss in die unterirdischen Gänge geflüchtet waren, ertranken. Vom Halleschen Tor und vom Alexanderplatz aus kämpfte sich die sowjetische Rote Armee zum „Führerbunker“ vor. Die südliche Friedrichstadt (nördlich vom Halleschen Tor) und die nördliche Luisenstadt mit ihrem alten Zeitungsviertel wurden regelrecht ausradiert.

Berlin-Kreuzberg, Checkpoint Charlie

Berlin-Kreuzberg, Checkpoint Charlie

Die Nachkriegszeit in Kreuzberg

Kreuzberg lag nun im US-amerikanischen Sektor. Während der Norden völlig zerstört und die Hochbahn zum größten Teil nicht mehr benutzbar war, hatte südlich davon die Tempelhofer Vorstadt mit ihren Mietskasernen trotz zahlreicher Bombenexplosionen baulich den Krieg relativ glimpflich überstanden. Durch seine Lage lag der Bezirk Kreuzberg nun am Rande von West-Berlin, durch den Bau der Berliner Mauer im August 1961 wurden die Zufahrtswege von Norden und Osten her schließlich völlig abgeschnitten.

Kreuzberg war lange von den Folgen des Zweiten Weltkrieges geprägt, die Wohnungsbaupolitik des West-Berliner Senats war widersprüchlich. In den 1950er Jahren gab es noch Ganz-Berliner Planungen, die Kreuzberg mit Schnellstraßen durchziehen und in einzelne Subzentren zerteilen sollten. Die „dezentralisierte Stadt“ („Scharoun-Plan“) nach amerikanischem Vorbild war in der Politik populär. In den Subzentren sollten Neubauviertel in aufgelockerter Bauweise entstehen, die Altbauquartiere dagegen sollten abgerissen werden. Ab 1956 entstand so die Otto-Suhr-Siedlung in der westlichen Oranienstraße genau nach diesem Muster. Bis heute stark umstrittene Neubauten entstanden auch am Kottbusser Tor, so gebaut, dass die geplante Stadtautobahn („Südtangente“) gleich mit einbezogen wurde.

Währenddessen waren die alten Wohnviertel für den Abriss vorgesehen. Sie wurden als reine Spekulationsobjekte ge- und verkauft, und man ließ sie aus spekulativen Gründen verkommen. Überwiegend ausländische Arbeiter zogen in diese Wohnungen, die als Gastarbeiter angeworben wurden. Sie kamen als Mieter für die heruntergekommenen Wohnhäuser gerade recht. In der Öffentlichkeit und in der West-Berliner Presse wurde propagandistisch den Gastarbeitern die von den Spekulanten verursachte Verwahrlosung der Altbauten in die Schuhe geschoben. Letztendlich wurde der Wohnraum mit Hilfe der Politik durch die Berliner Polizei „entmietet“. Das leerstehende Haus verottete weiter und wurde später abgerissen. Mit Hilfe des West-Berliner Senats und öffentlicher Gelder wurden an der Stelle Neubauten errichtet, die nun teuer vermietet werden konnten. Die Auswüchse solcher Politik sind nicht nur in Kreuzberg zu sehen.

Seit dem Ende der 1970er Jahre wurden solche Spekulationsobjekte vor allem von jungen Leuten besetzt. So entstand in Kreuzberg eine so genannte Hausbesetzer-Szene. (→Prenzlauer Berg) Aus alten Gewerbehöfen wurden manche zu kollektiven wirtschaftlichen Projekten, und es wurden auch neue Lebensformen ausprobiert. So manches Haus wurde von den so genannten Hausbesetzern wieder instandgesetzt. Kreuzberg wurde zum Markenzeichen und zum Experimentierfeld für eine neue (Sub-)Kultur.

Berlin-Kreuzberg, Chamissoplatz

Berlin-Kreuzberg, Chamissoplatz

Heutiges Kreuzberg

Die frühere Alternativszene hat sich inzwischen im Bürgertum fest etabliert. Vor allem der westliche Teil Kreuzbergs ist fast schon zu einer feinen Adresse geworden. Aus der Hausbesetzerzeit sind noch ein paar Kneipennamen übrig geblieben. Die frühere Marheineke-Markthalle gleicht heute eher einem Feinkostgeschäft, die Heroen und Symbole des Klassenkampfes werden heute ganz selbstverständlich vermarktet.

Inzwischen ist auch der in der Vergangenheit eher von Industrie geprägte Osten Kreuzbergs ins Fahrwasser von Innenstadtpolitik und Spekulation geraten. Lag er doch im alten West-Berlin noch am Ende der Welt, befindet sich das Gebiet heute (wieder) im Zentrum der Stadt. Hatten sich hier in den 1980er Jahren noch Kleinstfirmen gegründet oder angesiedelt, weckt die Gegend heute Begehrlichkeiten.

Kreuzberg ist seit 2001 ein Teil des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg.

Berlin-Kreuzberg, Jüdisches Museum (Daniel Liebeskind)

Berlin-Kreuzberg, Jüdisches Museum (Daniel Liebeskind)

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