Afrikanisches Berlin
Öffentliche Stadtführungen
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(Angaben ohne Gewähr)
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Interkulturelle Stadtführungen in Berlin
Individuelle Stadtführungen nach Maß
Gibt es Afrika in Berlin, und wo liegt das? Städte haben ein Gedächtnis. Der deutsche Kolonialismus ist im Berliner Stadtbild bis heute sichtbar, wenn man genau hinschaut. Somit können wir darüber sprechen und seine schmerzvolle Geschichte auch im heutigen Berlin noch nachvollziehen. Der Stadtnavigator Berlin lädt Sie ein zu einer spannenden Spurensuche von der Mohrenstraße bis nach Kreuzberg und Wedding.
Der Stadtnavigator Berlin arbeitet für Sie individuell Stadtführungen nach Ihren Themen aus. Der Preis variiert natürlich durch den benötigten Arbeitsaufwand. Fragen Sie unverbindlich nach. Nutzen Sie einfach dafür das Kontaktformular oder schreiben Sie an Info@Stadtnavigator-Berlin.de.
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Berlin. Von den Janitscharen zur Afrika-Schau
Im Jahre 1681 erwarb Brandenburg unter dem Kurfürsten Friedrich III. eine Überseekolonie an der Goldküste in Westafrika und beteiligte sich für ein paar Jahre am internationalen Sklavenhandel. König Friedrich Wilhelm I. beendete das Kolonialabenteuer aus Kostengründen und verkaufte die preußische Überseebesitzung Friedrichsburg an die „Niederländisch-Westindische Kompanie“. Neben der zu zahlenden Kaufsumme verpflichteten sich die Niederlande, „zwölf Negerknaben“ zu stellen, von denen „sechs mit goldenen Ketten geschmückt“ sein sollten.
Die zwölf jungen Afrikaner wurden in das preußische Heer integriert. Später kamen noch andere Schwarze Afrikaner hinzu und wurden im Militärcorps als Musiker beschäftigt. 1723 wurde für sie in Potsdam, in der Nähe des Großen Militärwaisenhauses, eine spezielle „Hoboistenschule“ (aus frz., Oboist; Militärmusiker) gegründet. Und wie bei den „Langen Kerls“ legte Friedrich Wilhelm I. wert darauf, dass die afrikanischen Militärmusiker stattlich und groß gewachsen zu sein hätten. Sie wurden exotisch ausstaffiert. Wahrscheinlich war Preußen war das erste europäische Land, das afrikanische Militärmusiker beschäftigte. Als „Janitscharen“ wurden sie über Preußen hinaus bekannt. Schwarze Afrikaner in bunten Kostümen als Militärmusiker oder als Bedienstete zu beschäftigen, kam im 18. Jahrhundert in ganz Europa in Mode.
Bislang ging man davon aus, dass die Mohrenstraße in Berlin-Mitte nach den schwarzen Heeresmusikern der preußischen Armee benannt wurde, die dort eine eigene Kaserne bewohnten. Inzwischen weist Prof. Ulrich van der Heyden, ein Historiker und Kolonialforscher, in „Berlin in Geschichte und Gegenwart“ (2014) darauf hin, dass der Name der heutigen Mohrenstraße älter ist und auf eine Delegation afrikanischer Repräsentanten aus der neu erworbenen brandenburgischen Kolonie Großfriedrichsburg zurückgeht, die nach der Unterzeichnung der „Schutzverträge“ am Ende des 17. Jahrhunderts den brandenburgischen Kurfürsten Friedrich Wilhelm besuchte. Die Delegation wohnte vier Monate lang in der Friedrichstadt und lief von ihrem Quartier zu Fuß zum Berliner Stadtschloss. Nach van der Heyden erhielt der Weg von den Berlinern den Namen „Mohrenweg“, der später zur „Mohrenstraße“ umbenannt wurde.
Ausstellungen von exotischen Menschen oder Menschen mit körperlichen Missbildungen auf Märkten gab es seit der Antike. Auch in Preußen wurden Menschen wie im Zoo zur Schau gestellt. Im 19. Jahrhundert erhielten Völkerschauen in Europa einen großen Aufschwung. Dort konnten exotische Menschen aus fremden Ländern im Zoo und auf Jahrmärkten, Volksfesten, in Varietés sowie auf Gewerbe- und Kolonialausstellungen vor nachgeahmter Kulisse wie wilde Tiere besichtigt werden. In der frühen Weimarer Zeit gerieten solche Ausstellungen zunächst aus der Mode. In den 1920er Jahren wurden solche Darbietungen als Kolonialerinnerung aber schon wieder populär. Vor allem von Carl Hagenbeck wurden solche Ausstellung auch im Berliner Zoo erfolgreich geführt. Unter den Nationalsozialisten entstand 1935 das „Negerdorf“: als Privatunternehmen von Heinrich Gosslau und Kwassi Bruce aus Togo, der im Ersten Weltkrieg als Kriegsfreiwilliger in den deutschen Schutztruppen gewesen war, und Adolf Hillerkus, der mit einer Afrikanerin verheiratet war. 1936 bis 1940 wurde diese als wandernde „Afrika-Schau“ – einer Mischung aus Völkerschau und Varieté mit angeschlossener Ausstellung – weitergeführt. Mit der entwürdigenden Schau versuchten die Organisatoren vor allem anderen Afrikanern zu helfen. Unter den Bedingungen des menschenverachtenden Nationalsozialismus war es für sie die einzige Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt überhaupt noch verdienen zu können.
Einwanderung von Schwarzen Afrikanern nach Deutschland
Die im Deutschen Reich lebenden Schwarzen Afrikaner waren eine sehr kleine Minderheit und daher in ihrer Präsenz ohne großen Einfluss und Relevanz auf die Gesellschaft. Die deutsche Gesellschaft war im Ganzen fremdenfeindlich, sodass ein normales Leben für Afrikaner – vor allem für Schwarze Afrikaner – in dem Land nicht möglich war. Menschen anderer Hautfarbe waren oft auf die Rolle eines exotischen Objekts beschränkt.
Die Zeit des deutschen Kolonialismus fiel in die Zeit des Deutschen Kaiserreichs. Auf der von Otto von Bismarck 1884 einberufenen Berliner Kongokonferenz, an der alle zu der Zeit wichtigen europäischen Nationen teilgenommen hatten, wurde der gesamte afrikanische Kontinent in europäische Interessenszonen aufgeteilt. Auf Drängen der deutschen Kolonial- und Wirtschaftskreise übernahm die deutsche Regierung die „Schutzherrschaft“ in verschiedenen Gebieten Afrikas. Die Bildung der deutschen Kolonien bildete die Voraussetzung für die Einwanderung von Schwarzen Afrikanern nach Deutschland. Die Schiffsverbindungen der „Woermann-Linie“ fuhren mit hoher Taktfrequenz nach Duala (Kamerun), Lomé (Togo), zur Walfischbucht (Deutsch-Südwestafrika) oder nach Daressalam (Deutsch-Ostafrika).
Zum einen gab es einen Bedarf an einheimischen Fachkräften in der deutschen Kolonialverwaltung und –wirtschaft. So kamen junge Afrikaner und Afrikanerinnen zum Zweck der Ausbildung ins Deutsche Reich. Andere arbeiteten auf den Schiffen als Köche, Stewards oder Heizer. Schwarze Afrikaner wurden als Sprachgehilfen für die afrikanischen Sprachen eingesetzt oder kamen als Angehörige der deutschen Schutztruppen, der Askari, nach Deutschland. Außerdem gab es noch eine größere Gruppe meist jugendlicher Afrikaner, die von deutschen Kaufleuten und von Reisenden nach Deutschland mitgebracht wurden: als Hilfen für Haushalt oder Geschäft oder auch als sentimentales „Mitbringsel“. Viele, die als Jugendliche oder junge Männer und Frauen ins Deutsche Kaiserreich eingewandert waren, blieben für den Rest ihres Lebens, gründeten Familien und arbeiteten hier.
Die Kolonialzeit spiegelt sich auch im Berliner Straßenbild wider. In der Afrikanischen Siedlung im Wedding findet man bis heute die Straßennamen ehemaliger deutscher Kolonien und auch die von Eroberern, die im Auftrag des Deutschen Reiches gemordet und geplündert haben. Mit der Petersallee ehrt man bis heute einen der grausamsten deutschen Kolonisatoren. Wie bei der Mohrenstraße in Berlin-Mitte wird heute oft auch eine Umbenennung der Straßennamen in der Afrikanischen Siedlung diskutiert. Doch würde eine gemeinsame Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit weit mehr bringen als die bloße Umbenennung von Straßennamen. Jede Generation hat vor allem in der Hauptstadt immer wieder versucht, mit bloßen Umbenennungen von Straßen- und Gebäudenamen sich der Vergangenheit zu entledigen. Die getöteten Besatzer der afrikanischen Kolonien werden bis heute mit einem Gedenkstein am Columbiadamm für ihren „Heldentod“ geehrt. An die 50.000 getöteten Hereros aber beispielsweise erinnert bis heute niemand.
In dieser Zeit war Afrika die Negation von Europa. Neben verschiedenen Darstellungen auf Reliefs repräsentativer Gebäude aus dieser Zeit kam es zu Wortschöpfungen, die in der deutschen Sprache bis in unsere Zeit geläufig sind: Der „Häuptling“ als Darstellung eines Herrschers in der afrikanischen Gesellschaft und die „Stämme“ als Ausdruck für die gesellschaftlichen Organisationsformen in Afrika sind bis heute geläufig und abwertend. Auch „Naturvölker“ gehört bis heute zum gebräuchlichen Wortschatz. Buschmänner und Hottentotten hat es niemals gegeben. Der „Busch“ und der „Dschungel“ stehen als Metapher bis heute im Gegensatz zur europäischen „Zivilisation“.
Deutsche Nachkolonialzeit
Nach dem Ersten Weltkrieg hatte Deutschland den Status als europäische Kolonialmacht eingebüßt. Die ehemals deutschen Kolonialgebiete wurden unter britisches und französisches Mandat gestellt. Nach dem Versailler Vertrag sollten die Menschen, die sich außerhalb der ehemaligen Kolonien aufhielten, automatisch Bürger der neuen Mandatsländer sein. Für viele Afrikaner in Deutschland war das keine Option. Sie lebten oft bereits seit Jahren in dem Land und sprachen nur Deutsch als europäische Sprache. Eine Gruppe politisch engagierter Afrikaner gründete in der Weimarer Zeit den deutschen Zweig einer Menschenrechtsorganisation, deren Hauptsitz sich in Paris befand: die „Deutsche Sektion zur Verteidigung der Negerrasse“.
Die Folgen der Weltwirtschaftskrise trafen auch die in Deutschland lebenden Afrikaner. Für sie war es noch schwerer Arbeit zu finden. Die von der Arbeitslosigkeit Betroffenen hatten keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, weil dieses an die deutsche Staatsbürgerschaft gebunden war. Nur einige Afrikaner wurden aus einem kleinen Etat an Haushaltsmitteln des Auswärtigen Amtes unterstützt, der von der „Gesellschaft für Eingeborenenkunde“, einem deutschen Kolonialverein, verwaltet wurde. Die monatliche Zuteilung der Gelder war an Wohlverhalten geknüpft und konnte ohne Begründung gewährt oder verweigert werden.
In der Zeit des Nationalsozialismus wurden die Lebensumstände für Schwarze Afrikaner, Afro-Deutsche und deren Ehefrauen und Mütter immer schwieriger. Mit den Nürnberger Gesetzen, 1935, verloren auch die Afrikaner, die eingebürgerte Deutsche waren, ihre deutsche Staatsbürgerschaft und waren plötzlich staatenlos. Reisen ins Ausland waren erheblich erschwert. Für die in Musik, Varieté, Zirkus oder Film beschäftigten Schwarzen Deutschen verkomplizierten sich die Arbeitsbedingungen. Später kam eine wöchentliche Meldefrist bei der Polizei hinzu. In Deutschland wurde es immer schwieriger eine Arbeit zu finden. Denn aufgrund der „rassischen” Propaganda wurde es selbst bereitwilligen Arbeitgebern unmöglich gemacht, Schwarze Angestellte zu behalten oder neu einzustellen.
Die Politik des nationalsozialistischen Regimes war sehr widersprüchlich. Deutschland plante die Errichtung eines zusammenhängenden „mittelafrikanischen Kolonialreiches“ unter deutscher Vorherrschaft. Die geplante Gesetzgebung für das Apartheidssystem (Apartheid, Afrikaans: Trennung), einschließlich der Gesetzgebung für die Sklavenarbeit der Afrikaner und selbst Passentwürfe in diesem Kolonialreich lagen 1940 bereits vor. Dafür wollte das Regime einige Afrikaner für die deutsche Propagandaarbeit gewinnen.
Eine der wenigen Nischen, die noch eine Zeit lang das Überleben im Nationalsozialismus sicherten, waren die entwürdigenden Auftritte in Völkerschauen und propagandistischen Kolonialfilmen. Durch die aufwendigen Planungen für das Kolonialreich in Afrika war diese Tätigkeit für das nationalsozialistische Regime zunächst von Interesse. Afrikaner waren „lebendes Kapital“ und sollten, wie etwa in den „Deutschen Afrikaschauen“ oder in diversen Kinofilmen, den Anspruch der „Herrenrasse“ für das Publikum dokumentieren. Gleichzeitig begann das Regime 1937 mit der Zwangssterilisation Schwarzer Afrikaner und ihrer Angehörigen. Ab 1940 folgten die Verschleppung und Ermordung in den deutschen Konzentrationslagern. Heutigen Schätzungen zufolge liegt die Zahl der Opfer bei etwa 2000. Doch viele hatten deutsche Namen, so dass man sie heute oft nicht mehr als Schwarze Afrikaner identifizieren kann. Auch die Ermordung von Schwarzen Kriegsgefangenen ist nicht speziell dokumentiert.
Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich am Afrikabild in Deutschland nichts verändert. Da die BRD – im Gegensatz zu Frankreich oder Großbritannien – keine Kolonien besaß, waren Schwarze Afrikaner im West-Berliner Stadtbild meist auf Angehörige der US-amerikanischen Besatzungsmacht beschränkt. Bis in die 1970er Jahre hinein waren abwertende Karikaturen über Schwarze Afrikaner oft als Menschenfresser oder einfältige Wilde auch in angesehenen deutschen Zeitschriften durchaus populär. Das änderte sich nur allmählich mit mit der wachsenden Kritik an der globalen Wirtschaftspolitik.
In der DDR gab es wenige Studenten aus afrikanischen (sozialistischen) Bruderstaaten wie Madagaskar oder dem Sudan vor allem in Leipzig und Ost-Berlin, die weitgehend isoliert lebten.
Nach der deutschen Neuvereinigung kam es 1992 in Rostock-Lichtenhagen gegen dort lebende Ausländer zum ersten Pogrom in der deutschen Nachkriegszeit. Verachtende Begriffe wie „Bimbo” sind vor allem in Ostdeutschland noch immer salonfähig. Zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 drohte der Afrika-Rat, einen Katalog mit „No-Go-Areas“ herauszugeben. Viele afrikanische Opfer von Angriffen haben keine Papiere oder sind Asylberechtigte, die nicht zur Polizei gehen würden. Tatsächlich werden Übergriffe auf Minderheiten von der Politik als Ausnahmen von einer überwiegenden toleranten Bevölkerungsmehrheit heruntergespielt. Doch allein in den letzten Jahren kam es in Berlin und Brandenburg immer wieder zu Angriffen. Im März 2007 wurde ein Afrikaner auf die Bahngleise gestoßen und lag schwer verletzt über einen Monat lang im Koma. Im Juni 2007 wurden Afrikaner in Neukölln angegriffen, im Juni 2008 ein 22-jähriger Afrikaner in Nauen. Im November 2008 schlugen und traten zwei junge Männer auf einen Ghanaer in einem Männerwohnheim in Pankow ein. Die Begründung eines der Täter war später, dass das Opfer dunkelhäutig wäre. Daneben gibt es eine Dunkelziffer. Nicht nur britische und US-amerikanische Reiseführer warnen heute vor dem Betreten östlicher Vororte Berlins, wenn man „homosexuell” oder „nicht-deutsch” aussähe.
2008 fand im Wedding das erste Afrikafest in Berlin statt mit Reggaemusik, afrikanischem Essen und vor allem mit Afrikanern. Ein afrikanisches Magazin, „NoLam“, wird im Wedding herausgegeben. Die Konzentration von afrikanischen Einwanderern im Wedding ist auf die vergleichsweise niedrigen Mieten in dem Bezirk zurückzuführen. Der Wedding ist inzwischen in sehr kleinem Format als „afrikanischer Bezirk” geläufig.