Türkisches Berlin
Öffentliche Stadtführungen
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Interkulturelle Stadtführungen in Berlin
Individuelle Stadtführungen nach Maß
Es ist besser, miteinander zu sprechen als übereinander. Ab den 1960er Jahren kamen Türken zunächst als Gastarbeiter in die BRD und auch nach West-Berlin. Was bewog sie damals herzukommen, und wie lebten sie hier? Das Verhalten der deutschen Bevölkerung damals lässt durchaus Vergleiche mit heute zu. Wie leben die Menschen heute – viele inzwischen selbst als Deutsche – in der Gesellschaft, und welche Vorurteile werden auf allen Seiten bis heute gepflegt? Fragen wir nach, finden wir es in einer interkulturellen Stadtführung gemeinsam heraus.
Der Stadtnavigator Berlin arbeitet für Sie individuell Stadtführungen nach Ihren Themen aus. Der Preis variiert natürlich durch den benötigten Arbeitsaufwand. Fragen Sie unverbindlich nach. Nutzen Sie einfach dafür das Kontaktformular oder schreiben Sie an Info@Stadtnavigator-Berlin.de.
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Geschichte der Türken in Berlin
Im Mittelalter waren jüdische und arabische Kaufleute in Mitteleuropa die Spezialisten im internationalen Fernhandel. Auch wenn in der Literatur von „Arabern“ die Rede war, müssen wir davon ausgehen, dass es sich allgemein um muslimische Händler handelte.
Mit der Eroberung Konstantinopels und der Geburt der osmanischen Metropole Istanbul, 1453, etablierte sich im abendländischen Bewusstsein die Existenz einer ernstzunehmenden türkischen Macht. Bekräftigt wurde der Anspruch 1529 durch die erste türkische Belagerung Wiens unter Sultan Süleyman I., dem Prächtigen. Luthers Predigten gegen die Türken taten ein Übriges, das Gefühl einer Bedrohung durch die „Mohammedaner“ zu nähren.
Infolge der „Türkenkriege“, insbesondere des „Großen Türkenkrieges“ (1683-99), ausgelöst durch die zweite türkische Belagerung Wiens, kamen erstmals Osmanen als Kriegsgefangene brandenburgischer Truppen nach Berlin. Berühmt wurden Hassan und Aly, die als konvertierte Kammerdiener am Hof Königin Sophie Charlottes von Preußen dienten.
Zur Zeit Friedrich Wilhelms I. kam es zu ersten geheimdiplomatischen preußisch-türkischen Beziehungen. Friedrich Wilhelm ließ sich Pferde aus Istanbul kommen, darunter ein Geschenk Ahmeds II., ein edles Ross aus dem Großherrlichen Marstall, das in Berlin allgemeine Bewunderung erregte. Als der Herzog von Kurland dem König zwanzig „türkische“ (eigentlich muslimisch-tatarische) Gardeeliten überließ, wurde ihnen 1732 in ihrem Quartier am Langen Stall in Potsdam eine Moschee eingerichtet. Durch ein Dekret kam es zur Gründung der ersten islamischen Gemeinde auf deutschem Boden.
Nach der preußischen Eroberung Schlesiens suchte Friedrich II. ein Bündnis mit den Osmanen unter Mustafa III gegen Österreich. Doch statt eines Bündnisses kam es 1761 lediglich zu ersten preußisch-türkischen Freundschafts- und Handelsabkommen. Bereits 1741 wurden tatarische und bosnische Muslime in das so genannte „Ulanen-Regiment” integriert, das zeitweise bis zu 1.000 Mann umfasste. Im Zuge der Kontaktaufnahme wurde 1763 eine ständige osmanische Gesandtschaft in Berlin eingerichtet. In der Berliner Gesellschaft führten die sich allmählich entwickelnden preußisch-türkischen Beziehungen zu einer regelrechten, bis in die Kaiserzeit anhaltenden „Türkenmode“.
Schon seit 1670 war Kaffee als „Wein des Islam“ in den deutschen Ländern bekannt. 1721 eröffnete in Berlin das erste Kaffeehaus (in Wien 1685). Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurde der Kaffee auch zum Getränk der „kleinen Leute”. Kaffee ersetzte nicht nur in Berlin teilweise den weit verbreiteten Weißbierkonsum. Friedrich II. versuchte, dem „unbotmäßigen Kaffeegenuss” 1781 mit der staatlichen Kaffeeregie entgegenzuwirken, um den teuren Import zu reduzieren. Das private Rösten von Rohkaffee wurde untersagt. Zollbeamte, die von den Berlinern als „Kaffeeriecher“ und „Kellerratzen“ bezeichnet wurden, sollten die Einhaltung kontrollieren. Kaffee wurde geschmuggelt oder auch durch Zichorie ersetzt. In Berlin wurde der Kaffee-Ersatz, abgeleitet von „Mocca faux“, „Muckefuck“ genannt.
Die „Türkenmode“ wurde noch verstärkt, als später Friedrich Wilhelm III. die Beisetzung des verstorbenen türkischen Gesandten der Hohen Pforte auf dem Gelände des Tempelhofer Feldes anordnete. Die Begräbniszeremonie und der feierliche Zug, der dem türkischen Verstorbenen das letzte Geleit gab und in seiner ungewöhnlichen Exotik zahllose Neugierige anzog, stellte die erste islamische Kulthandlung in der Berliner Öffentlichkeit dar. Nach der Bestattung eines weiteren türkischen Gesandten geriet die Begräbnisstätte zunächst in Vergessenheit. Sie wurde 1836 wiederentdeckt; 1866 sollte der Friedhof dann einem Kasernenbau weichen. Mit Zustimmung des Sultans wurden die türkischen Toten in ein neben dem Garnisonsfriedhof gelegenem Gräberfeld (am heutigen Columbiadamm 128 in Neukölln) umgebettet. Dort ruhten bereits die muslimischen Gefallenen aus den Freiheitskriegen gegen Napoleon. Der seitdem als „Türkenfriedhof“ bekannte Ort ging in den Besitz des Osmanischen Reiches über, dessen Erbnachfolge später die Türkische Republik antrat.
Die Attraktion exotischer Atmosphäre im Habitus der mit reichem Gefolge und Gepränge einziehenden türkischen Gesandten nach Berlin galt in der preußischen Hauptstadt des 19. Jahrhunderts als Sinnbild orientalischen Lebens. Ein damals bekanntes Beispiel war das Etablissement von Sophie Frederike Pauly, das „Türkische Zelt“ in der Berliner Straße (heute Otto-Suhr-Allee) in Charlottenburg. Dort verkehrte die bessere Gesellschaft, und das „Türkische Zelt” war Treffpunkt von Philosophen, Theologen, Juristen und Künstlern. Auch andere spätere Vergnügungstempel, wie das „Flora-Etablissement“ am Charlottenburger Luisenplatz, griffen die „Türkenmode“ mit integrierten orientalischen Elementen immer wieder auf. Bis heute greifen Conférenciers das Thema gerne auf.
Im April 1914 gründete sich, unterstützt von der deutschen Politik und Wirtschaft, die Deutsch-türkische Vereinigung. Ein Ziel war der Austausch junger Menschen, die nicht zuletzt den deutschen Projekten im Osmanischen Reich dienen sollten. Kamen 1914 etwa 300 junge Leute nach Berlin, waren 1917 mehr als 2000 Türken registriert. Noch 1917 wurde im abgelegenen Grunewald ein türkisches Schullandheim eingerichtet. Zu Kontakten mit der Berliner Bevölkerung kam es kaum. Während des Ersten Weltkrieges kamen muslimische Gefangene der Alliierten in zwei Internierungslager in Wünsdorf und Zossen bei Berlin, andererseits aber auch osmanische Militärs nach Berlin.
Deutschland war in der Weimarer Zeit der größte Handelspartner der 1923 gegründeten Türkischen Republik. Nach dem Ersten Weltkrieg lebten rund einhundert muslimische Exilanten und Studenten in der Stadt. 1922 wurde die erste islamische Gemeinde in Berlin gegründet, die 1930 nun als „Deutsch-Moslemische Gesellschaft” knapp 2000 Mitglieder unterschiedlicher Herkunft hatte.
Die Errichtung des NS-Regimes wurde in der Türkei zum Teil mit Sympathie betrachtet. Um die Sympathien in der türkischen Bevölkerung zu festigen, wurde 1934 der verstorbene und vom NS-Regime geachtete türkische Botschafter Kemaleddin Sami Pascha mit einem pompösen Trauerzug zum Anhalter Bahnhof begleitet. Die menschenverachtende Politik des deutschen Regimes und vor allem die Ausgrenzung der Juden aus dem öffentlichen Leben wurden von vielen Türken, die nach Deutschland kamen, zwar wahrgenommen. Man nahm sich aber auch gerne in der Nähe des Kurfürstendamms ein günstiges Zimmer „in den Wohnungen reicher deutscher Juden, die nicht an Deutsche vermitteln durften“. Das erinnert wiederum sehr stark an heutige Touristen, die die Menschenrechtsverletzungen in vielen Urlaubsländern oft als folkloristische Eigenheit wahrnehmen und auch selbst gerne ein bisschen von den Zuständen dort zu profitieren versuchen.
Nicht nur die türkischen Muslime, die in Deutschland lebten, gerieten schnell in das Fahrwasser der nationalsozialistischen Politik und wurden zum Teil instrumentalisiert. Dabei spielte vor allem Amin al-Hasayni, der Jerusalemer Mufti, eine Rolle, der in seinem extremen Antisemitismus und in seinem Widerstand gegen die britische Kolonialmacht in Palästina eine gemeinsame arabische, besser muslimische Haltung forderte und dabei die enge Nähe zum NS-Regime suchte. Trotz seiner Kenntnis über die millionenfachen Morde an der jüdische Bevölkerung in Europa unterstützte er die Waffen-SS auf dem Balkan und versuchte über seine Kontakte zu den Deutschen, die jüdische Besiedlung Palästinas zu verhindern. Er ging so weit, dass er eine deutsche Besetzung Palästinas und die Ausweitung des Massenmords auch an der dort lebenden jüdischen Bevölkerung ausdrücklich befürwortete. Die Wirkungen des Antisemitismus des Amin al-Hasayni, verbunden mit der Vereinigung der Muslime unter einem gemeinsamen Feindbild, sind bis heute lebendig.
Türkische Einwanderung heute
1961 schloss die BRD mit der Türkei ein Abkommen zur Anwerbung türkischer Arbeitskräfte. Dem waren bereits 1955 Vereinbarungen mit Italien, 1960 mit Griechenland und Spanien vorausgegangen. Man dachte nicht daran, dass die als „Gastarbeiter“ bezeichneten Einwanderer dauerhaft in Deutschland bleiben würden. Doch im Laufe der Zeit zogen ihre Frauen und Kinder nach.
In den 1980er Jahren wurde vom Senat von West-Berlin ein Zuzugstopp für Ausländer im Wedding, in Tiergarten und Kreuzberg beschlossen, um den Anteil ausländischer, vor allem türkischer Bevölkerung auf das gesamte West-Berliner Stadtgebiet besser zu verteilen.
Da es keinen kurdischen Staat gibt, werden die meisten Kurden, die aus der Türkischen Republik stammen, zu den Türken gerechnet, es sei denn (wie es bei ethnischen Türken auch der Fall sein kann), sie haben die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen. Mehrheitlich gehören die hier lebenden Türken dem sunnitischen Glauben nach der hanaftischen Rechtsschule, an zweiter Stelle den Alleviten an. Viele hier lebende Kurden sind jesidischen Glaubens, aber nicht alle hier lebenden Kurden stammen aus der Türkei. Von den 444 000 in Berlin lebenden Ausländern stammen zirka 120.000 aus der Türkei. Jeder Fünfte von ihnen besitzt inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft.
Knapp sechs Prozent der Berliner, etwa 210.000 gehören zu einer der islamischen Gemeinden. Der dauerhafte Verbleib der türkischen Einwanderer in Deutschland und in Berlin führte dazu, dass provisorische Hinterhofmoscheen aufgegeben wurden. Auch in Berlin werden seitdem Moscheen gebaut, die als solche auch öffentlich erkennbar sind. In der Bevölkerung wird der Bau der muslimischen Gotteshäuser oft subjektiv als islamische Missionstätigkeit, Unterwanderung und „Islamisierung“ verstanden. Hinzu kommt, dass seit den Terroranschlägen im Jahre 2001 in New York und Washington im Bewusstsein vieler Menschen der Islam selbst auf Misstrauen stößt. Das Ergebnis sind zahlreiche Moscheebaukonflikte, die nicht nur von rechtsradikalen Demagogen für ihre eigenen Zwecke instrumentalisiert werden. Das jüngste Berliner Beispiel ist der Bau der Khaddija-Moschee der Ahmaddiyya-Gemeinde in der Heinersdorfer Tiniusstraße 7. Jahrelang erhitzte der Bau der Moschee die Gemüter, und eine so genannte Pankower Bürgerinitiative versuchte den Bau mit zweifelhafter Unterstützung nicht nur der NPD zu stoppen. Die Moschee wurde im Oktober 2008 eröffnet.
Türkische Berliner sind doppelt so oft von der Arbeitslosigkeit betroffen als der Bevölkerungsdurchschnitt und viele haben einen schlechten Schulabschluss. Wenn wir uns allerdings über eine mangelnde Integrationsfähigkeit der Türken beklagen, müssen wir uns daran erinnern, dass es bis in die 1990er Jahre gar keine Integrationspolitik gab. Bis in diese Zeit wurde in der Politik geleugnet, dass Deutschland inzwischen längst zu einem Einwanderungsland geworden ist. Andererseits wurde die Wortschöpfung „Multikulti“ so verstanden, dass man die Entwicklung sich selbst überlassen könnte.